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Düsseldorf, Nov 25, 2015
Christopher Riedel

Europäische Erbrechtsverordnung: versierte Planung notwendig

Dass Senioren sich einen Altersruhesitz im Ausland suchen, ist nicht selten. Das zeigen die Zahlen: 2014 lebten knapp 226.000 deutsche Rentner im Ausland, das sind 1,7 Prozent mehr als noch 2013 – Tendenz steigend. Allein die Hälfte davon lebt in Europa, ein großer Teil aber auch in Nordamerika. Dazu kommt ein nicht unerheblicher Teil von älteren Menschen, der teilweise in Deutschland und teilweise im Ausland lebt. Und das ist freilich kein deutsches Phänomen: Auch Senioren aus anderen europäischen Staaten suchen sich (zumindest temporäre) Ruhesitze in anderen Nationen. Dazu kommt eine große Zahl von Menschen, die für längere Zeit im Ausland beruflich gebunden sind.Und so kommt es natürlich regelmäßig vor, dass vor allem diese Senioren im Ausland versterben und der Erbfall eintritt. Doch nach welchem Recht wird dieser Erbfall behandelt – welche Rechtsprechung gilt? Diese Frage führt häufig zu Schwierigkeiten, wie ein von der Bundesregierung dargestelltes deutsch-französisches Beispiel (zum bisherigen Recht) verdeutlicht: „Nach deutschem Recht bestimmt sich das Erbrecht nach der Staatsangehörigkeit des Erblassers. Es folgt dem Staatsangehörigkeitsprinzip. Bei Immobilien hingegen knüpfen Franzosen daran an, in welchem Land diese liegen. Bei sonstigen Nachlasswerten entscheidet der letzte Wohnsitz des Verstorbenen. Stirbt also eine Deutsche oder ein Deutscher mit Hausbesitz in Frankreich wird derzeit das Haus nach französischem Recht vererbt. Die Eigentumswohnung in Deutschland unterliegt dagegen deutschem Erbrecht."

Größere Rechtssicherheit durch Erbrechtsverordnung

Um diesen Schwierigkeiten zu entgehen und den Anforderungen der stetig wachsenden Gruppe von im Ausland lebenden Menschen gerecht zu werden, hat der Gesetzgeber auf EU-Ebene die Europäische Erbrechtsverordnung (EuErbVO, 650/2012 vom 4. Juli 2012) geschaffen, die seit August 2015 gilt. „Diese regelt, welches nationale Erbrecht anzuwenden ist, wenn Vermögen in mehreren EU-Staaten zu vererben ist. Die neue Verordnung bietet vor allem größere Rechtssicherheit, von der jährlich gut 450.000 Familien profitieren werden", betont die Bundesregierung. Das heißt: Laut der Europäischen Erbrechtsverordnung wird im Erbfall das Erbrecht des Staates angewendet, in dem der Erblasser verstirbt, sofern dieser dort seinen letzten gewöhnlichen Aufenthalt hatte.

Doch was bedeutet dieser „gewöhnliche Aufenthalt" in der Praxis? Wann liegt ein „gewöhnlicher Aufenthalt" vor, wann nicht? Die Bestimmung ist nicht immer ganz einfach, wie auch das Bundesjustizministerium in einer Publikation zur EuErbVO mitteilt. Der gewöhnliche Aufenthalt sei durch eine Gesamtbeurteilung der Lebensumstände des Erblassers festzulegen. Kriterien könnten dabei zum Beispiel sein, wie lange und wie regelmäßig sich jemand in dem betreffenden Staat aufhält beziehungsweise wo sein Lebensmittelpunkt in familiärer oder sozialer Hinsicht sei.

Will meinen: Hat ein Deutscher seinen Wohnsitz in Italien, gilt dies als Indikator für den gewöhnlichen Aufenthalt – im Erbfall greift das italienische Erbrecht. Wer allerdings vier Monate im Jahr in Spanien überwintert und im übrigen Jahr in Deutschland lebt, hat seinen gewöhnlichen Aufenthalt in der Regel in Deutschland. Die Gleiche Regel wird für denjenigen angewendet, der auch für eine längere Zeit im Ausland gearbeitet hat, dabei aber eine enge und feste Bindung zu Deutschland aufrechterhalten hat. In diesen Fällen findet das deutsche Erbrecht Anwendung.

Die Idee: ein Erbfall, ein Gericht, ein Recht, ein Europäisches Nachlasszeugnis

Die EU will mit der Erbrechtsverordnung einen Rahmen für die einheitliche Behandlung von Erbfällen schaffen und bestimmt für den gesamten Nachlass, welches nationale Erbrecht zur Anwendung kommt. Dabei wird nicht zwischen beweglichem und unbeweglichem Vermögen unterschieden (sogenannter Grundsatz der Nachlasseinheit). Die Idee dahinter ist: ein Erbfall, ein Gericht, ein Recht, ein Europäisches Nachlasszeugnis. Ein und derselbe Erbfall soll also im Prinzip vor den Gerichten nur eines Staates nach dem dort geltenden Recht abgewickelt werden. Damit verfolgt die EuErbVO in Erbfällen mit Auslandsberührung, kurz gesagt, zwei Ziele. Zum einen soll es Erblassern einfacher gemacht werden, ihren Nachlass zu planen. Zum anderen soll es für die Erben schneller gehen, den Nachlass abzuwickeln, indem die erforderlichen Verfahren verkürzt werden. Die neuen Vorschriften sehen außerdem ein Europäisches Nachlasszeugnis vor. Damit können Erben und Nachlassverwalter überall in der EU ohne weitere Formalitäten ihre Rechtsstellung nachweisen. Das bedeutet vor allem schnellere und kostengünstigere Verfahren.

Das ändert aber nichts daran, dass das Erbrecht überall unterschiedlich ist, etwa bei der Frage nach der gesetzlichen Erbfolge oder auch Pflichtteilsansprüchen. Die für einen Bundesbürger gewohnte und etablierte deutsche Rechtsprechung lässt sich selbstverständlich nicht auf andere Jurisdiktionen übertragen. Ein Beispiel aus dem italienischen Erbrecht: Kinder erben in Italien zu gleichen Teilen und schließen die übrigen Verwandten aus. War der Erblasser verheiratet, erhält der Ehegatte neben einem Kind die Hälfte des Nachlasses, neben mehreren Kindern ein Drittel und bei einem kinderlosen Erblasser neben anderen Verwandten zwei Drittel des Nachlasses. In Deutschland unterscheidet sich der Erbteil beispielsweise bei einem Ehepaar mit zwei Kindern: Haben die Eheleute im gesetzlichen Güterstand gelebt und keinen Ehevertrag geschlossen, erbt die Ehefrau die Hälfte, die Kinder je ein Viertel.

Wahlrecht zugunsten des deutschen Erbrechts

Deshalb gilt: Wer im Ausland lebt oder seinen Lebensabend dort plant, sollte sich im Vorfeld Gedanken zur Testamentsgestaltung vor diesem Hintergrund machen. Will ich wirklich die Anwendung des ausländischen Erbrechts? Bin ich mir aller Konsequenzen für meine in Deutschland lebenden Kinder bewusst? Um solche Zweifel auszuräumen, hat der Gesetzgeber die Möglichkeit geschaffen, eine Rechtswahl zugunsten des Heimatrechts zu treffen: Der Deutsche im Alterswohnsitz im EU-Ausland kann festlegen, dass im Erbfalle deutsches Erbrecht angewendet werden soll. Das ergibt zum einen dann Sinn, will der dereinstig Vererbende in jedem Falle deutsche Erbrecht zur Anwendung bringen will; und zum anderen ist das Wahlrecht nicht irrelevant, wenn über den letzten gewöhnlichen Aufenthalt Unklarheit herrscht, zum Beispiel bei zwei regelmäßigen Wohnsitzen. Das verhindert ein potenzielles juristisches Rätselraten um die zuständige Jurisdiktion. Jedoch gilt Bestandsschutz für alle Testamente, die vor dem 17. August 2015 gestaltet worden sind – also vor dem Start der Europäischen Erbrechtsverordnung. Für diese wird generell deutsches Erbrecht angewendet.

Wichtig ist auch der erbschaftsteuerliche Aspekt. Oft ist bei letztem Wohnsitz in einem anderen Land (auch) dort Erbschaftsteuerpflicht gegeben: Die nationalen erbrechtlichen oder steuerrechtlichen Vorschriften bleiben von der Verordnung unberührt, die Gefahr der Doppelbesteuerung besteht. Es existiert mithin ein großes Risiko, es mit einer ausländischen Finanzbehörde zu tun zu bekommen. Steuerplanung ist daher für Wegzügler ein dringendes Gebot der Stunde.

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