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Düsseldorf, Dez 12, 2019
Christopher Riedel

Unternehmensnachfolge: Das Thema Pflichtteil keinesfalls einfach auf sich zukommen lassen

Dass auf Deutschland eine Nachfolgewelle zurollt, ist mittlerweile Common Sense. Experten und Forschungsinstitute wie das Institut für Mittelstandsforschung Bonn (IfM Bonn) sprechen von mehreren 10.000 Unternehmen jährlich, in denen sich aus Altersgründen an der Spitze ein Wechsel anbahnt. Das sind zu fast 100 Prozent familiengeführte Unternehmen aus dem Mittelstand, von Kleinst- und Kleinunternehmen mit unter 50 Mitarbeiter bis hin zu internationalen Gesellschaften, deren Arbeitnehmerzahl leicht im vierstelligen Bereich liegen kann, die aber dennoch von einer Eigentümerfamilie kontrolliert und in der Regel auch operativ geführt werden.

Steht in solchen Unternehmen die Regelung der Altersnachfolge an, richtet sich der Blick in den allermeisten Fällen zunächst auf die eigenen Kinder (sofern vorhanden). Diese sollen die familiäre Tradition fortführen und die Vermögenswerte weiterentwickeln und für die kommenden Generationen bestmöglich erhalten. Familiäre Nachfolgeregelungen sind noch immer bei mehr als der Hälfte der Mittelständler der Fall und die Beratungspraxis zeigt, dass dies auch so gewünscht ist. Ein Verkauf wird in der Regel dann in Betracht gezogen, wenn es keine Möglichkeit des innerfamiliären Erhalts gibt.

Nicht in allen Familien verläuft die Nachfolge harmonisch

Aber die Praxis zeigt auch, dass diese Übertragung von Gesellschaftsanteilen und Verantwortung nicht immer konsensual vonstatten geht. Denn was ist, wenn ein Abkömmling sich überhaupt nicht dafür eignet, an der Spitze des Betriebs zu stehen, sei es aus fachlichen oder persönlichen Gründen? Oder wenn er oder sie überhaupt kein Interesse daran hat, in die unternehmerischen Fußstapfen von Vater oder Mutter zu treten und daher die Unternehmensführung als lästige Bürde ansieht, derer es sich schnellstmöglich zu entledigen gilt? Das kann natürlich die Zukunft des Familienbetriebs massiv gefährden und damit schnell über die Jahrzehnte aufgebaute Werte schädigen.

Das bedeutet: Nicht in allen Familien verläuft die Nachfolge harmonisch, etwa aufgrund unterschiedlicher Lebensentwürfe in der Erbengeneration. Dann will der Unternehmer regelmäßig dafür sorgen, dass nur der gewünschte Erbe vom Unternehmen profitiert und es nicht zu Streitigkeiten und Zersplitterung in der neuen Gesellschaftergeneration kommen kann. Ein Weg dafür ist, einzelne Abkömmlinge als Nachfolger auszuwählen und andere von der Erbfolge auszuschließen. In dieser Entscheidung liegen dann jedoch Pflichtteilsansprüche für den nicht bedachten gesetzlichen Erben begründet.

Die nächsten Angehörigen enterben 

Der Pflichtteil ist ein entscheidendes Stichwort. Zwar ist das deutsche Zivilrecht vom Prinzip der Privatautonomie geprägt, die sich auch in der Testierfreiheit widerspiegelt. Jeder Erblasser kann also in seinem Testament grundsätzlich eigene, von der gesetzlichen Erbfolge abweichende, Regelungen treffen. Dabei kann er auch seine nächsten Angehörigen enterben, diese also vom Erbe ausschließen. Das müssen sich Kinder, Ehegatten und Co. aber nicht gefallen lassen. Sie können nach §§ 2303ff. BGB Pflichtteilsansprüche geltend machen, und zwar grundsätzlich in Höhe der Hälfte des Werts ihres gesetzlichen Erbteils. Der Pflichtteilsanspruch entsteht mit dem Erbfall und gewährt dem Berechtigten lediglich einen Geldanspruch gegenüber dem beziehungsweise den Erben. Die Höhe des Pflichtteilsanspruchs wird dabei im Wesentlichen von zwei Faktoren bestimmt: einerseits von der Erb- beziehungsweise Pflichtteilsquote des Anspruchsinhabers und andererseits vom Wert des Nachlasses. Der Pflichtteil ist grundsätzlich ein Baranspruch und unmittelbar zu entrichten.

Differenzbetrag über Pflichtteilsanspruch realisieren

Eine Musterberechnung zeigt die Tragweite: Werden beispielsweise von einem Witwer mit zwei Kindern Bargeld und Wertpapiere in Höhe von einer Million Euro auf beide Kinder aufgeteilt, aber Gesellschaftsanteile im Wert von fünf Millionen Euro nur an eines der Kinder weitergegeben (was schon im kleineren Mittelstand völlig normal ist), führt dies zu einer massiven Ungleichbehandlung der beiden Kinder. Dies muss ich der weniger Bedachte durch das Pflichtteilsrecht nicht gefallen lassen. Er kann einen Pflichtteilsanspruch geltend machen, und zwar in Höhe von einer Million Euro. Denn seine gesetzliche Erbquote beträgt 50 Prozent, die Pflichtteilsquote 25 Prozent. Bezogen auf den Gesamtnachlass sechs Millionen) steht ihm also als Pflichtteil ein Betrag von 1,5 Millionen Euro zu. Tatsächlich zugedacht sind ihm jedoch nur 500.000 Euro, sodass er den Differenzbetrag über seinen Pflichtteilsanspruch realisieren kann.

Umgang mit etwaigen Pflichtteilsansprüchen langfristig planen

Vor allem im Kontext der Unternehmensnachfolge können Pflichtteilsansprüche richtig teuer werden und genauso wie die Erbschaftsteuer dazu führen, dass die Substanz des Unternehmens geschädigt wird oder dass sogar Betriebsteile oder andere Vermögenswerte veräußert werden müssen, um die Forderungen zu bedienen. Sofern Unternehmer dazu neigen, einen oder mehrere gesetzliche Erben testamentarisch von der Unternehmensnachfolge auszuschließen, sollten sie das Thema Pflichtteil keinesfalls einfach auf sich zukommen lassen. Es ist entscheidend, dass sie langfristig planen, wie sie mit etwaigen Pflichtteilsansprüchen umgehen wollen und können. Sie brauchen eine Strategie dafür, die rechtlich und betriebswirtschaftlich sinnvoll ist.

Eine gängige Lösung ist die Vereinbarung eines Pflichtteilsverzichts gegen Abfindung. Dies kann langfristig betrachtet äußerst sinnvoll sein, um die späteren Pflichtteilsansprüche eines Abkömmlings gegen die Erbmasse frühzeitig auszuschließen beziehungsweise abzufinden. Gerade über die lebzeitigen Abfindungen gegen Verzicht kann viel gesteuert werden, um eine Ertragsquelle an den gewünschten Nachfolger ohne Streitigkeiten zu übertragen. Die übrigen Abkömmlinge werden ja dennoch aus dem Vermögen begünstigt, erhalten aber eben keinerlei Zugriff aufs Gesellschaftsvermögen. Das kann insbesondere dann günstig sein, wenn die Familienstämme bei Mehrgenerationenunternehmen wachsen und in der dritten oder vierten Generation die Anteile dann beispielsweise ein Dutzend oder mehr Erben übergehen würden. 

Eine andere Lösung kann beispielsweise darin bestehen, andere Werte als das Unternehmensvermögen an alle Erben zu verteilen – in Kombination mit einem partiellen Pflichtteilsverzicht lassen sich so spätere Ansprüche ausschließen. Grundstücke und Immobilien beispielsweise lassen sich gut vom unternehmerischen Vermögen trennen und auf die Erben übertragen. So partizipieren alle von der Erbmasse, das vermeidet Streitigkeiten.

Pflichtteil beschränken oder entziehen

Das deutsche Pflichtteilsrecht lässt sich auch nur in ganz bestimmten Fällen aushebeln. Erblasser haben unter ganz bestimmten Bedingungen die Möglichkeit, den gesetzlichen Pflichtteil „in guter Absicht“ zu beschränken oder sogar zu entziehen. „In guter Absicht“ bedeutet dabei, dass spezifische Gründe für diese Entscheidung vorliegen, nämlich eine erhebliche Überschuldung oder Verschwendungssucht, die zu einer Zersplitterung des Vermögensteils führen würden. Der Gesetzgeber kennt darüber hinaus die Möglichkeit der Pflichtteilsentziehung, verknüpft diese letztwillige Verfügung aber mit ganz bestimmten Vorgaben. Der Grund für die Pflichtteilsentziehung muss im Testament mit Bezug zum Gesetz detailliert dargelegt werden, sonst ist er ungültig. Außerdem kommt eine Pflichtteilsentziehung nur in wirklich extremen Situationen (insbesondere bei strafrechtlichen Implikationen) in Frage.

Unternehmer sollten das Thema Pflichtteil also mit offenem Visier angehen und solche Fragestellungen in ihre Nachfolgeplanung mit dem versierten Berater einbeziehen. Darin können Chancen begründet sein, die Unternehmensnachfolge optimal zu regeln und das Familienvermögen zu schützen.

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