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Düsseldorf, Sep 16, 2016
Christopher Riedel

Gestaltung der Pflichtteilsansprüche als wichtiges Thema

Es ist die Idealsituation, die sich wohl jeder Erblasser – seien es Unternehmer oder Inhaber privater Vermögen – wünscht: Harmonie in der Familie, keine Zerwürfnisse in der Erbengeneration und keine Anzeichen einer späteren Verschleuderung des Familien- und Betriebsvermögens. Das macht die Verteilung der einzelnen Gegenstände vergleichsweise einfach, da alle an einem Strang ziehen.

Es ist aber nicht alles eitel Sonnenschein, immer wieder findet man Konstellationen vor, in denen Vermögensinhaber schwerwiegende Probleme mit Teilen der Familie haben und diese am liebsten aus der Erbfolge ausschließen würden, damit sie nicht im Rahmen der gesetzlichen Quote von der Vermögensnachfolge profitieren können. Das kann ganz unterschiedliche Gründe haben: Vielleicht existiert ein Kind aus erster Ehe, zu dem kaum eine Beziehung besteht und das über den Stiefvater oder die Stiefmutter abgesichert ist; vielleicht hat sich der Erblasser mit einem Abkömmling unwiederbringlich überworfen; oder vielleicht soll ein Erbe auch vor einer zu einer großen Vermögensverantwortung geschützt werden, weil er bereits bewiesen hat, dass er mit Geld nicht umgehen kann.

Kindern und Ehegatten steht immer eine Mindestbeteiligung am Nachlass zu

Im Fokus steht dann die Gestaltung der Pflichtteilsansprüche – denn das landläufig immer wieder gehörte „Ich enterbe dich“ ist nach deutschem Erbrecht nicht ohne weiteres möglich. Egal wie die letztwillige Verfügung ausgestaltet ist, steht insbesondere Kindern und Ehegatten immer eine Mindestbeteiligung am Nachlass zu. Sie können den sogenannten Pflichtteil als Anspruch gegen den oder die übrigen Erben geltend machen. Dies ist gesetzlich ganz klar geregelt, sowohl für Abkömmlinge (§ 2303 Abs. 1 Satz 1 BGB) als auch für Ehegatten und Lebenspartner (§ 10 Abs. 6 LPartG). Ist der Erblasser kinderlos, sind auch die Eltern pflichtteilsberechtigt (§ 2303 Abs. 2 Satz 1 BGB).

Diese gesetzliche Sicherung einer Mindestbeteiligung am Nachlass setzt freilich der Testierfreiheit gemäß § 1937 BGB Grenzen, da der Erblasser in seiner Möglichkeit, durch einseitige Verfügung von Todes wegen den oder die Erben zu bestimmen, (wenigstens wirtschaftlich) beschränkt wird. Insoweit hat das Bundesverfassungsgericht bestätigt, dass der Pflichtteilsanspruch durch das Grundgesetz nicht nur gedeckt, sondern sogar geboten ist: „Die grundsätzlich unentziehbare und bedarfsunabhängige wirtschaftliche Mindestbeteiligung der Kinder des Erblassers an dessen Nachlass wird durch die Erbrechtsgarantie des Art. 14 Abs. 1 Satz 1 in Verbindung mit Art. 6 Abs. 1 GG gewährleistet. Die Normen über das Pflichtteilsrecht der Kinder des Erblassers (§ 2303 Abs. 1 BGB), über die Pflichtteilsentziehungsgründe des § 2333 Nr. 1 und 2 BGB und über den Pflichtteilsunwürdigkeitsgrund des § 2345 Abs. 2, § 2339 Abs. 1 Nr. 1 BGB sind mit dem Grundgesetz vereinbar.“

Aber was bedeutet dies jetzt für die konkrete testamentarische Gestaltung? Natürlich vor allem, dass der Erblasser genaue Analysen und Berechnungen hinsichtlich seines Vermögens anstellen muss. Denn er kann nicht sicher sein, dass die von ihm vorgesehene Verteilung nachher auch tatsächlich Bestand hat, wenn Pflichtteilsansprüche geltend gemacht werden können. Ein Beispiel zur Konkretisierung: Hinterlässt ein (in Zugewinngemeinschaft) verheirateter Erblasser ein Vermögen im Wert von (netto, nach Abzug aller Schulden) einer Million Euro und soll eines der beiden Kinder nichts erhalten, steht diesem von Gesetzes wegen ein Achtel als Pflichtteil zu. Von Gesetzes wegen würde der Erblasser hier zur Hälfte von seinem überlebenden Ehegatten beerbt, zur anderen Hälfte von den beiden Kinder, auf die also jeweils ein Viertel entfiele. Wiederum die Hälfte hiervon (von der gesetzlichen Erbquote) stellt den Pflichtteilsanspruch des übergangenen Kindes dar.

Ist dieser Erblasser bereits verwitwet und schließt er ein Kind von der gesetzlichen Erbfolge aus, steht diesem sogar ein Viertel des Nachlasses als Pflichtteil zu, da in diesem Fall von Gesetzes wegen der Nachlass jeweils hälftig auf beide Kinder aufzuteilen wäre. In keinem Falle also kann der Erblasser sein Vermögen komplett einem Erben zukommen lassen, wenn weitere gesetzliche Erben beziehungsweise Pflichtteilsberechtigte vorhanden sind, die sich ihre Benachteiligung nicht gefallen lassen wollen.

Zahlung ist durch das andere Kind zu leisten

Der gesetzliche Pflichtteilsanspruch ist immer (nur) auf Zahlung eines entsprechenden Geldbetrags gerichtet. Besteht das Erbe beispielsweise aus einem Unternehmen im Wert von sechs Millionen Euro, Immobilien im Wert von einer Million Euro und einem Cash- und Wertpapierbestand ebenfalls im Wert von einer Million Euro, steht in der Konstellation mit verwitwetem Erblasser und zwei Kindern dem von der Erbfolge Ausgeschlossenen ein Geldbetrag in Höhe von zwei Millionen Euro zu. Die Zahlung ist durch das andere Kind zu leisten, sobald die Ansprüche geltend gemacht werden. Wo die erforderliche Liquidität herkommen soll, hat der Gesetzgeber nicht geregelt.

Lebzeitige Zuwendungen an den Pflichtteilsberechtigten können den Pflichtteil reduzieren, Schenkungen an andere Personen zu sogenannte Pflichtteilsergänzungsansprüchen führen. Diese erschweren es, Pflichtteilsansprüche durch lebzeitige Schenkungen zu umgehen, indem sie den Pflichtteilsberechtigten im Ergebnis so stellen, als ob die den Nachlass mindernde lebzeitige Schenkung nicht erfolgt wäre.

Der Umgang mit späteren Pflichtteilsansprüchen kann erheblich erleichtert werden, wenn der Erblasser mit dem potentiellen Pflichtteilsberechtigten, der von der Erbfolge ausgeschlossen werden soll, lebzeitig einen Pflichtteilsverzicht vereinbart. Der Pflichtteilsverzicht bewirkt, dass dem Verzichtende am Nachlass des Erblassers keine Pflichtteilsansprüche zustehen; die Erbquoten (und damit auch die Pflichtteilsquoten) anderer Nachlassbeteiligter (insbesondere gesetzlicher Erben) lässt er unberührt. Der Pflichtteilsverzicht kann ohne eine Gegenleistung vereinbart werden. Verbreitet wird aber als Gegenleistung durch den künftigen Erblasser eine Abfindung gezahlt. Deren Höhe kann prinzipiell zwischen den Beteiligten frei vereinbart werden.

Wichtig ist, keine Schritte ohne versierte rechtliche Beratung zu ergreifen. Das gilt sowohl für lebzeitige Gestaltungen als auch für die Handhabung der Pflichtteilsangelegenheiten nach dem Erbfall – aus der Sicht des Anspruchstellers und aus der Sicht des (angeblich) Zahlungsverpflichteten. Einen der klassischen Haupt-Streitpunkte bildet die Bewertung des Vermögens. Insbesondere in unternehmerischen Kontexten können Pflichtteilsansprüche, ähnlich wie die Erbschaftsteuer, dazu führen, dass der Erbe auf einen Schlag so stark belastet wird, dass er vielleicht gezwungen ist, Unternehmensteile zu verkaufen, um den Pflichtteil aufzubringen. Eine genaue Planung aller Vorgänge ist deshalb unumgänglich, um die Vermögensnachfolge nicht zu gefährden.

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